Eine faszinierende Fähigkeit (nicht nur) des menschlichen Auges
Räumliches Sehen
Stereotypes Sehen
Räumliches Sehen, auch Stereosehen genannt, ist die Fähigkeit, die Welt in drei Dimensionen wahrzunehmen. Diese beeindruckende Leistung basiert auf der Zusammenarbeit beider Augen, die aus leicht unterschiedlichen Perspektiven auf dieselbe Szene blicken. Durch die Verarbeitung dieser Perspektivunterschiede im Gehirn entsteht ein räumlicher Eindruck, der uns erlaubt, Tiefen und Entfernungen präzise zu erkennen.
Binokulare Disparität
Die Grundlage des räumlichen Sehens bildet die sogenannte binokulare Disparität. Dabei handelt es sich um den kleinen Unterschied in den Bildern, die unsere Augen wahrnehmen. Diese Unterschiede werden im visuellen Cortex des Gehirns zu einem einheitlichen, dreidimensionalen Bild zusammengefügt. Schon im Kindesalter entwickelt sich diese Fähigkeit und wird durch Erfahrungen weiter geschärft. Das räumliche Sehen ist entscheidend im Alltag, wie zum Beispiel beim Velofahren, Sport oder beim Einschenken von Wein in ein Glas.
Auch „Einäuger“ können dreidimensional sehen
Interessant ist, dass unser räumliches Sehen nicht ausschliesslich vom Zusammenspiel der beiden Augen abhängt. Auch monokulare Hinweise, wie Licht und Schatten, perspektivische Verkleinerung von weiter entfernten Objekten oder die Geschwindigkeit von bewegten Objekten, helfen dem Gehirn, eine räumliche Vorstellung zu erzeugen. Künstler und Fotografen nutzen diese Prinzipien, um Tiefe und Perspektive in zweidimensionalen Bildern darzustellen. Sie imitieren dabei das Zusammenspiel von physikalischer Realität und individueller Wahrnehmung, das für das menschliche Gehirn so natürlich erscheint.
Zu all diesen Wahrnehmungen kommen weitere Informationen, die unser Gehirn verarbeitet. So lehrt uns schon allein die Erfahrung, den Raum gewissermassen zu organisieren. Wir wissen zum Beispiel, wie in der Regel Stühle und Tische untereinander angeordnet sind oder dass Bilder an den Wänden hängen und nicht einfach in der Luft schweben.
Hinzu kommen weitere sensorische Erfahrungen wie das Gehör oder sogar Luftströmungen und Düfte. Für sich allein genommen würden diese Informationen zwar noch kaum genügen, eine räumliche Ordnung zu erzeugen. Doch dank der neurologischen Vernetzung des Gehirns, das eben sämtliche Informationen zueinander in Beziehung setzen kann, ergibt sich daraus eine umfassende Wahrnehmung.
Einschränkungen des räumlichen Sehens
Allerdings ist das räumliche Sehen nicht bei allen Menschen gleichermassen ausgeprägt. Menschen mit Augenfehlstellungen, wie Strabismus (Schielen), können Schwierigkeiten haben, die Welt räumlich wahrzunehmen. Auch kann ein Auge gegenüber dem anderen so schwach sein, dass das Gehirn dessen Bild gewissermassen als unbedeutend negiert. In vielen Fällen lernt das Gehirn aber, die vorhandenen visuellen Informationen durch andere Sinneseindrücke zu kompensieren und alternative Strategien zur Einschätzung von Tiefen zu entwickeln.
Räumliches Sehen bleibt ein faszinierendes Beispiel für die Komplexität unserer visuellen Wahrnehmung. Es zeigt, wie eng die Sinne und die Verarbeitung im Gehirn zusammenarbeiten, um uns eine detaillierte und präzise Vorstellung der Welt zu vermitteln. Inwiefern das räumliche Sehen verbessert werden kann, ist im Rahmen eines Sehtests abzuklären.